Geschichten und Reaktionen





effektivität ablegen
interview mit barbara übel - biologin und wanderführerin

ja, ich bin ja in die weisse zone hineingeraten, als es noch ganz normales land war. das war genau in der interregnumszeit, als die allerletzten russen drauf waren. bevor sie abzogen, haben wir noch herrlich mit ihnen abschied gefeiert. wir konnten dann dort herumgehen, die heide blühte, es war warm, es war schön. wir sind kreuz und quer durch die heidegebiete gefahren und durch die sandwüste, durch den brennend heißen wüstensand. es sah teilweise grauselig aus, weil ja immer noch allerhand schrott da herumlag.
als ich dann im nächsten sommer wieder hier war, musste ich ja einen fkk-strand haben und bin dann in den wunderbaren heißen wüstensand gefahren, um mich dort nackt zu sonnen. ich habe mein fahrrad da irgendwo neben den weg gestellt und plötzlich erschienen da figuren, die ich nun überhaupt nicht erwartete, in solch komischer arbeitskleidung. die näherten sich etwas verschüchtert vorsichtig und wussten wohl nicht, was sie mit meiner erscheinung anfangen sollten. na ja, manchmal war ich dann nett zu ihnen, habe mich etwas aufgesetzt und ein t-shirt übergestreift. manchmal blieb ich auch einfach so liegen. diese uniformierten figuren, die da aus ihrem komischen einheitsauto ausstiegen, mussten zusehen, wie sie mit dieser situation zurecht kamen.


waren das schon die wachschützer der weissen zone oder des bombodroms damals?
ja, das wird wohl die bombodromzeit gewesen sein. ich habe das nicht so richtig mitgekriegt, ich habe ja nur den abzug der besatzungsmacht gesehen.

wie stehen sie dazu, nachdem ja die bürgerinitiative "freie heide" den kampf gegen das militär gewonnen hat und das gebiet nun zur weissen zone erklärt wurde, d.h. also dieses gebiet jetzt nicht mehr zugänglich ist und ein weisser fleck sein soll. sie können ja jetzt nicht mehr zu ihrem sandstrand radeln. wie gehen sie damit um?
der sandstrand ist ja nun inzwischen sicher zugewachsen durch die natürliche sukzession. die bäume sind vorgedrungen, die heide ist vorgedrungen, die hirsche sind vorgedrungen, die vögel sind vorgedrungen, und sie haben da einen richtigen naturpark entstehen lassen. das lässt mein biologenherz natürlich höher schlagen. so ein geschützter freier weisser raum, wo die tiere einfach machen können, was sie wollen und sich sicher fühlen können vor den bösen menschen. ja, in meinem herzen meine ich natürlich, dass dem menschen die erde nicht über-, aber gleichberechtigt mit den tieren gehört, dass er eigentlich mit den tieren dort leben und umgehen sollte, dass wir also nicht den menschen aussperren wollen vom paradies. die bundeswehr hat das abgesperrt und hat behauptet, sie könne da ein paradies schaffen. das wäre es sicherlich nicht geworden, wenn sie dort geblieben wäre, denn ich habe ja gesehen, wie das aussieht, wenn... panzer und bomben und so weiter, was sie dann hinterlassen, wenn sie in einer solch weissen zone wüten. aber nun sind sie nicht mehr da, jetzt kann es ein paradies werden, ein gleichberechtigter raum für mensch und tier, wenn sich die menschen eben nicht eilig, auto fahrend, stinkend, abgasend verhält, sondern einfach im respekt verhält und dann die wege, die die tiere ihm überlassen, für seine menschliche beschäftigung benutzt.

das würde aber auch bedeuten, dass die menschen, die sich mit der zone vertraut machen wollen, darauf vorbereitet werden müssen. ansonsten fahren sie eben stinkend da hindurch, und dann ist es vorbei mit der weissen zone.
ja, ganz genau. sie brauchen viel vorbereitung, indem sie erstmal die städtische hast ablegen, indem sie den gedanken "ich muss heute bis dahin kommen" ablegen, indem sie den gedanken "ich muss 5 kilometer pro stunde wandern" ablegen und sich offen machen. sonst bleibt das paradies natürlich verschlossen. dann sehen sie es ja nicht. dann bleibt es weisse zone.

sie sind ja nun eine versierte zoneführerin und führen immer wieder pilger um die weisse zone. können sie beschreiben, wie so eine führung aussieht?
natürlich hat die weisse zone ja irgendwie eine umgebung und eins strahlt wohl auf das andere aus oder hat etwas damit zu tun. kurzum, die brandenburgische streusandbüchse, die gibt es auch um die weisse zone herum und die ist eine wunderbare vorbereitung dafür, die effektivität abzulegen, weil auf solchen sandwegen zu gehen, das entschleunigt. auf solchen weichen, weissen, tiefen sandwegen sich zu bewegen, das führt einfach schon dahin, dass der mensch vielleicht nicht kosmologischer, wie palmström das im regen tut, aber irgendwo sandenburgischer daherkommt, auf einmal nicht nur auf ein ziel starrt, sondern sich aufmachen kann. das muss gelernt werden. das ist eine schwere übung, das kann im weichen weissen tiefen sand auch eine so richtig heftige körperliche übung sein, schweiß treibend, anstrengend, muskelkater erzeugend, wenn man es zu heftig macht. das lehrt einen dann "mach es nicht zu heftig". setz dich lieber mal hin, schau ins heidekraut oder schau in den schnee. man kann es ja sommers wie winters machen, man kann es bei der ginsterblüte machen, man kann es bei der maronenernte oder pfifferlingsernte machen, man kann es im september tun, wenn die hirsche röhren. es ist immer schön und es lohnt sich immer, die augen auf zu machen.

das interview führte piotr szrek



Veranstalter:
Kunst und Kultur für eine freie Heide e.V.


ein Kunstprojekt von:
Michael Kurzwelly


Das Projekt wurde gefördert durch:

Fonds Soziokultur

Landkreis Ostprignitz-Ruppin

 


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