die botschaft der heide ist die heide
interview mit rainer kühn, archivar
der "freien heide"
sie
sind der archivar der bürgerinitiative "freie heide". wie sehen
sie die situation, nachdem das hier jetzt die weisse zone geworden
ist?
ich habe schwierigkeiten mit der weissen zone. ich weiß nicht,
wie ich das verarbeiten soll. ich finde es toll, dass sie so für
aufmerksamkeit sorgt, aber wenn man nicht reingehen darf, ist
das für die menschen, die drum herum wandern, gesperrtes gebiet,
unberührte natur und unbekanntes land. wie früher die leute, die
amerika entdeckt hatten, weil sie da zufällig gelandet sind. hier
ist es im grunde genommen ähnlich. nur die, die den mut haben,
da rauf zu gehen, können sich davon überzeugen, wie schön die
natur dort ist. wobei man uns weismachen will, dass es nur deshalb
so schön ist, dass sich die natur nur deshalb so prächtig entwickelt
hat, weil das schon vorher gesperrtes gebiet war. auf militärischen
übungsplätzen, die verboten sind, kann sich kein tourismus ausbreiten
und die natur hat dort die oberhand. manche tiere gewöhnen sich
an den flugzeuglärm und dann entwickelt sich so ein gebiet nicht
nur zum schaden der natur. aber natürlich wird den menschen da
etliches vorenthalten. ich bin der meinung, dass das kein argument
ist. militär dient der vorbereitung von krieg. dafür werden die
menschen dort ausgebildet. und das soll mit biotopen gerechtfertigt
werden, die auf truppenübungsplätzen entstehen? das ist in meinen
augen paradox und regelrecht schizophren.
nun ist es ja zur weissen zone
geworden und das militär ist weg. sind sie nun der meinung, das
land solle an seine ehemaligen besitzer zurückgegeben werden und
zu einer ganz normalen landschaft werden, wie anderswo eben auch?
wenn es als weisse zone bestehen bleiben
soll, dann ist es ja unzugänglich für die menschen, die die natur
lieben und dort gerne pilze suchen wollen. oder die jäger, die
dort zur jagd gehen wollen. die kann man schon verstehen, dass
die den drang verspüren, da rauf zu gehen und die weisse zone
zu nutzen. dann ist es aber ja nicht mehr die weisse zone. das
ist es ja nur, wenn es unberührt ist, wenn keiner reingeht, wenn
das tabu ist. die menschen, die über 14 jahre für eine zivile
nutzung dieses territoriums gestritten haben, die wollen ja die
kurzen wege zum nachbarn gegenüber der zone und nicht 60 kilometer
außen herum fahren, wie früher. insofern schlagen zwei herzen
in meiner brust. ich gehe seit 1967, seit ich hier wohne, auf
diesen platz. erst vor vierzehn tagen bin ich drauf gewesen und
wurde vom wachschutz aus schweinrich gestellt. sie wollten meine
personalien haben, um anzeige zu erstatten. aber wir lassen uns
hier nicht einschüchtern und werden den platz weiterhin betreten.
aber damit ist es keine weisse zone. wenn wir da nicht draufgehen
würden, wären die vorstellungen einer weissen zone eher erfüllt.
wenn jetzt das gebiet so völlig
normal aussehen würde, wie zwischen rheinsberg und flecken zechlin,
würde ihnen dann nicht auch etwas fehlen? wenn jetzt da bauern
ihre äcker bestellen würden?
nein, das soll heide bleiben. das militär
wollte uns früher mit solchen argumenten in die enge treiben:
"ja, liebe "freie heide", was wollt ihr denn mit dem gebiet machen?
da habe ich immer mit den worten unseres verstorbenen vorsitzenden
helmut schönberg geantwortet: "die botschaft der heide ist die
heide und das reicht." wir wollen da natur pur und keinen "heidepark
soltau" und keine müllverbrennungsanlage…
kutschfahrten durch die heide?
kutschfahrten schon, das kommt uns
entgegen, das ist ja dann sogenannter sanfter tourismus, wovon
auch die tourismusbranche der region profitiert und arbeitsplätze
entstehen. aber nicht auf dem platz, sondern in den randgemeinden
drum herum. wichtig bleibt, dass man auf kürzestem weg durch herrliche
natur zueinander finden kann.
wenn man nun um die weisse
zone herum wandert, dann stößt man immer wieder auf unterschiedliche
arten von skulpturen oder säulen. was hat es damit auf sich?
die säulen wurden als zeichen des protestes
gesetzt. die menschen der region waren mit der entwicklung, die
die bundeswehr vorhatte, nicht einverstanden. die so genannten
mahnsäulen sind eine form des protestes gewesen gegen eine wiederinbetriebnahme
dieses geländes als truppenübungsplatz. der krieg war hier erst
mit der wende zu ende, als die russen abgezogen sind. da hatten
die menschen ihre hoffnungen drauf gesetzt und wurden von den
politikern teilweise unterstützt - immer dann, wenn sie sich im
wahlkampf befanden. als sie dann an der macht waren, haben sie
sich plötzlich nicht mehr an das gesagte erinnern können. das
ging durch fast alle parteien und das können wir belegen. politiker,
wie schöhnbohm, struck und scharping haben uns belogen und sich
unglaubwürdig gemacht.
es stehen ja sehr viele mahnsäulen
um die weisse zone herum. zu welchen anlässen sind sie gesetzt
worden und wie viele sind es?
es sind etwa 25 attraktive mahnsäulen.
es gibt noch mehr, aber diese mahnsäulen wurden von bildhauern
geschaffen, die auf dem gebiet der holzbearbeitung sehr versiert
sind. sie wurden immer aus anlass einer unserer über 100 protestwanderung
gesetzt, die wir in 14 jahren dzrchgeführt haben. sie begannen
traditionsgemäß mit einer andacht in der kirche einer randgemeinde
des platzes. nachher wanderten wir zur schiessplatzgrenze. da
man auch damals den platz nicht betreten durfte, haben wir die
säulen in der regel vor der zonengrenze aufgestellt. die bekannteste
ist die christusfigur aus fretzdorf, die bei einer der ersten
wanderungen gesetzt wurde. sie stammt aus den händen von jens
kranitz. die beschriftung der säule besagt immer "auf dem weg
zur freien heide". als zielangabe ist immer der ort eingetragen,
der sich gegenüber auf der anderen seite des ehemaligen schiessplatzes
befand, also z.b. neuglienicke, mit kilometerangabe.
das interview führte piotr szrek
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