Geschichten und Reaktionen





der geplünderte laden
ein gespräch mit marion wichert, der inhaberin von "marion's laden" in zempow

was mir als erstes einfällt ist, dass ich im handel gearbeitet habe und wir betroffen waren von mega-vielen einbrüchen hier - von den soldaten.

haben sie den laden schon lange?
diesen hier nicht, aber den, wo jetzt der ferienhof bergmann ist, da war früher mal der konsum. da sind wir jährlich mehrmals heimgesucht worden. da ist man morgens runtergekommen und da war die scheibe eingefahren. die sind da richtig rückwärts mit dem lkw reingefahren und haben dann den laden leergeräumt oder unter wasser gesetzt.

und wer hat das getan? waren das leute aus der "weissen zone"?
ja ja, das waren die einfachen leute, die haben mehr so zu essen und trinken gebraucht. ja, und unsere gärten waren ja auch regelmäßig dran. wenn man da gurken oder tomaten angebaut hat, dann war das manchmal morgens alles geerntet. wurden die manchmal auch erwischt? sicherlich. aber wenn sie den laden aufgebrochen haben, dann hat man sie meistens leider nicht erwischt. erstens ist keiner rausgegangen - nachts. obwohl man das bis hier oben hin gehört hat, wie sie die fensterscheibe eingefahren haben. nein, da hat sich einfach keiner getraut hinzugehen. das sind so die späteren erinnerungen. als kind kann ich mich erinnern, dass wir so ständig hier militär hatten. da sind sachen gewesen. da haben sie hier im winter streckenposten rausgesetzt und vergessen. dann saßen die hier manchmal tagelang an der ecke unter der eiche und dann haben wir sie manchmal noch mit lebensmitteln versorgt. dann haben sie sich da ein feuerchen gemacht und wir haben ihnen als kinder brote gebracht.

und die konnten nicht dieses stück zurück in die zone zu fuß gehen?
nein, die sind ja meistens von viel weiter her gewesen. die haben hier in der zone ihre manöver abgehalten und dann sind sie wieder zurück. dann ist ihnen irgendwann aufgefallen, dass da welche fehlen. die haben sie manchmal erst nach tagen abgeholt. naja, und dass wir uns als kinder da nicht getrauit haben, reinzugehen, wie manche erwachsene da so pilze suchen gegangen sind, weil man immer angst gehabt hat, die nehmen einen da mit und...

was war das für eine angst? was wurde ihnen denn da als kind so erzählt?
naja, erzählt ja nicht, aber das wareneben fremde menschen aus einem fremden land. auch wenn wir damals in der schule russisch gelernt hatten, konnte man sich mit denen ja kaum unterhalten. da hat man dann schon angst gehabt, dass die einen da einfach mitnehmen und irgendwo einsperren. also wir sind da nie reingegangen in die zone. das waren nur die alten, die wußten, wo sie gehen können, aber... mit der deutsch-russischen freundschaft, an den schulen wurde das ja alles so gehalten. man wurde so unterrichtet und da hatten wir auch solche treffen mit russischen soldaten aus der kommandatur - also nicht mit den einfachen soldaten, sondern mit höhergestellten offizieren. die hatten dann auch kontakt zu den leuten hier. das war aber offiziell. wie gesagt, wir haben es auch anders erlebt, z.b. dass sie hier eingebrochen sind oder dass sie hier nächtelang durch die orte gefahren sind. die sind hier mal mit so einem riesigen turbinenpanzer vorgefahren, in der nacht. früher war das ja hier mal eine gaststätte. wir haben - also mein mann und ich - gedacht, dass die uns ins haus fahren. das sind eben so erlebnisse, die man nicht vergißt. dann haben die hier an den türen gewummert, weil sie dachten, da muß doch einer sein, der einem hier noch etwas verkaufen kann. das waren wir ja gar nicht gewohnt. wir konnten denen überhaupt nicht helfen. also, wie die hier mit dem panzer gekommen sind, das war schon richtig gruselig. dieses heulende pfeifende geräusch. noch mal etwas ganz anderes.

dieses gebiet ist doch erst durch die bürgerinitiative "freie heide" so richtig bekannt geworden, oder?
obwohl ich sagen muß, dass das gebiet noch immer nicht so bekannt ist, wie ich mir das eigentlich wünschen würde. wenn dann hier manchmal leute kommen, die so ganz unbedarft sind und überhaupt keine ahnung haben, keine vorstellungskraft, wie groß die weisse zone eigentlich ist. ich meine, wir wissen ja, wie das ist. die können sich das nicht vorstellen. wir hatten immer diese übungen da oben und die haben da auf weihnachten oder andere feiertage keine rücksicht genommen. diese bombenabwürfe, diese detonationen, die hat man immer gehört, bis hierher. und wir hatten die schäden an unseren häusern, risse im mauerwerk und ich möchte auch nicht wissen, was da noch ist in der weissen zone. da hat, glaube ich, keiner so ne richtige ahnung.

das interview führte piotr szrek

Anzeige


Veranstalter:
Kunst und Kultur für eine freie Heide e.V.


ein Kunstprojekt von:
Michael Kurzwelly


Das Projekt wurde gefördert durch:

Fonds Soziokultur

Landkreis Ostprignitz-Ruppin

 


art
trans

travel guides

 

HomeKontaktImpressum – © M. Kurzwelly